Zugegeben, die meisten Menschen leben im Wohlstand. Wir haben in Deutschland ein Konsumparadies, in dem fast jedes frische Lebensmittel (Obst und Gemüse) zu jeder Zeit eingekauft werden kann. Der Globalisierung sei Dank! Es gibt immer einen warmen, sonnigen Ort auf dieser Welt an dem z.B. Erdbeeren angebaut und geerntet werden können und dann per Flugzeug oder Schiff in unsere Supermärkte kommen. Der Kunde ist König und seine Wünsche sind somit „Befehl“ für den Handel!
Die Frage sei erlaubt: Ist es tatsächlich so? Brauchen wir in Deutschland Erdbeeren im Winter? Die Erdbeeren dienen an dieser Stelle als Beispiel. Es ließe sich auch mit anderen Obst- oder Gemüsesorten beschreiben.
Ich bin in den 70er und 80er Jahren aufgewachsen. Zu dieser Zeit waren viele frische Lebensmittel (Obst und Gemüse) nur dann zu kaufen, wenn sie hier geerntet werden konnten. Bereits damals wurde das Obst und Gemüse auch aus Südeuropa importiert, weil es dort länger und intensiver warm war. Dann kamen die Landwirte auf die Idee viele Gemüsesorten im Gewächshaus anzubauen, weil sie besser vor Wind und Wetter geschützt waren. Die Anbautemperaturen konnten konstant gehalten und die Pflanzen regelmäßig bewässert werden um ein optimales Wachstum zu erreichen.
Allerdings führte das in vielen Fällen nicht zum gewünschten Erfolg. Wer erinnert sich noch an die „berühmten“ Tomaten aus Holland, welche auch im Winter ihre schöne rote Farbe trugen…..und sobald man sie verzehren wollte…..schmeckten sie nach Nichts. Sie hatten sowas von kein Aroma. Die Holland-Tomaten wurden zum Synonym für Gemüse aus Treibhäusern, die so aussahen wie man sie von heimischen Feldern im Sommer kannte, aber nur furchtbar schmeckten. Trotzdem wurden sie in Massen gekauft. Für viele Menschen schien es ein Zeichen von Wohlstand zu sein, Tomaten auch im Winter zu essen. Anders kann ich es mir nicht erklären.
Gleichzeitig waren die Holland-Tomaten aber der Beginn der Massen-Ware aus den Treibhäusern. Findige Geschäftsleute erkannten, dass die Menschen für solche Produkte zu begeistern waren. Die Werbung tat ihr übriges. Und so wurde die Verfügbarkeit von frischem Obst und Gemüse auch in die untypischen Monate ausgedehnt.
Mit der Globalisierung in den 90er Jahren wurde es darüber hinaus möglich, sich auch den klimatischen Vorteilen anderer Länder zu bedienen. So entstand in letzter Konsequenz das ausufernde Angebot an frischen Lebensmitteln zu jeder Zeit.
Wer den Geschmack der frischen Produkte aus ihrer Erntezeit in den ursprünglich heimischen Regionen kennt will die „künstlichen“ Erzeugnisse aus aller Welt nicht. Ganz egal, ob es die Erdbeeren, Tomaten, Zucchini, Auberginen und vieles mehr sind. Sie schmecken im November bei weitem nicht mehr so gut wie im August. Darüber hinaus kostet eine Schale der „chinesischen Wintererdbeeren“ doppelt so viel als die heimischen Erdbeeren im Sommer.
Da immer mehr Menschen im Zuge von Fertignahrung schon nicht mehr wissen wie eine z.B. eine frische, ausgereifte Erdbeere oder Zucchini schmeckt, ist es ihnen anscheinend egal was sie kaufen und essen.
Dabei ist es inzwischen ganz einfach herauszufinden wann eine Frucht- oder Gemüsesorte mit ihrem vollen, typischen Geschmack erhältlich ist. Es gibt den sogenannten Saisonkalender. Darin ist die Verfügbarkeit der Produkte über das Jahr aufgeführt. Es gibt den Saisonkalender als einfache oder ausführlichere Variante. Im Zeitalter des Smartphones natürlich auch als kostenlose App.
Anhand des Saisonkalenders lassen sich „Winter-Gemüsesorten“ entdecken, die wegen der Gemüse aus den südlichen Gewächshäusern fast in Vergessenheit gerieten. Ich probiere in diesem Winter seit längerem auch wieder verschiede Kohlsorten auf andere Art und Weise zuzubereiten. Die Idee dahinter ist: Der menschliche Organismus verträgt am besten die Produkte aus der Klimazone, in der er aufgewachsen ist.
Also, höchste Zeit um mehr einheimische Gemüsesorten zu kochen und zu essen.