September 14, 2020

Die Zeitung „Zeit“ berichtet in ihrer im Artikel „Die Hausfrau von heute will Zeit sparen“ (Ausgabe 41 vom 06.10.1961) von der Allgemeinen Nahrungsmittel und Genussmesse (ANUGA – inzwischen die weltweit größte und wichtigste Nahrungsmittelmesse nach Aussage der Messebetreiber). 

Textauszug: 
…Es zeigt sich aber auch, dass immer mehr hausfrauliche Tätigkeiten abgebaut und in den industriellen Produktionsprozess übergeführt werden. Tischfertige Hauptgerichte – sei es in Dosen oder tiefgefroren – erwiesen sich als ausgesprochene Schlager und bescherten der Nahrungsmittelindustrie dicke Orderbücher.

Trotzdem meinen die Hersteller erst am Anfang einer steil nach oben führenden Entwicklung zu stehen. Während nämlich in der Bundesrepublik noch 58 % der Ausgaben für Lebensmittel der Landwirtschaft direkt zufließen, beträgt dieser Anteil in den USA nur noch 38 %. Daraus lässt sich ablesen, dass in Amerika wesentlich mehr landwirtschaftliche Produkte als Konserven oder fabrikmäßig vorgepackt bzw. küchenmäßig zugerichtet auf den Markt kommen. Kein Wunder, dass auf der ANUGA die Meinung zu hören war: "Die Hausfrau von gestern litt unter Geldmangel, die Hausfrau von heute und morgen leidet vor allem unter Zeitmangel."…

Fertiggerichte und Convenience-Food (Erklärung folgt weiter unten) nahmen in Vielfalt und Menge enorm zu. Nicht zuletzt durch den technischen Fortschritt mit Kühlschrank, Gefriertruhe und Mikrowelle können Lebensmittel inzwischen länger aufbewahrt und schneller zubereitet werden. Die Geräte haben sich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland rasch in den Haushalten verbreitet. Sie sind auch die Basis im Umgang mit Fertiggerichten. 

Ich erlebte in den 1970 und 80er Jahren selbst, wie die Tiefkühltheken in den Supermärkten immer mehr und immer voller wurden und auch die Regale mit Fertigmischungen für Gebäck, sowie Tütensuppen und Dosenware wuchsen stetig. 

Fertiggerichte sind sehr bequem. Gericht kaufen, Packung öffnen und in den Ofen oder in die Mikrowelle. Das ist auch für mich hin und wieder in Ordnung. Allerdings will ich nicht auf Dauer davon leben, da ich auf sämtliche künstliche Aromen, Geschmacksverstärker, Stabilisatoren, Konservierungsmittel, Farbstoffe und andere Inhaltsstoffe gerne verzichte. Bei vielen Zutaten weiß auch die Medizin noch nicht wie sie auf Dauer und ihrer Vielfalt im menschlichen Organismus wirken.

Meine Kinder haben sich in der Blüte ihrer Pubertät immer mal wieder beschwert, dass es in unserer Küche keine Fertigpizza und ähnliche bequeme Produkte gab. Mein Hinweis, dass ich diese Zusatzstoffe nicht essen will, wurde mit dem Satz „Ich sterbe ja nicht gleich, wenn ich eine Fertigpizza esse“ gekontert. Das ist auch richtig, die Probleme kommen erst mit dem ständigen und häufigen Verzehr dieser Produkte. 

Übrigens, die gleichen, nun erwachsenen, Kinder essen heute lieber meine selbstgemachte Pizza und viele andere selbstgemachten Speisen als die Fertigen aus dem Supermarkt! Es gibt also immer Hoffnung…

Wie ich im Beitrag Aromen und Düfte bereits beschrieben habe, versorgt uns die Nahrungsmittelindustrie schon in frühestem Kindesalter mit ihren Produkten. In Babybrei und anderer Zusatznahrung sind häufig künstliche Aromen oder auch zu viel Zucker enthalten. So werden die Kinder an diese Geschmackswelt gewöhnt. 

Mit Aromastoffen wird fehlende Qualität übertüncht. Es ist möglich minderwertige Nahrungsmittel damit aufzupeppen. Hierzu gibt es viele Informationen im Internet. 

Auch der französische Komiker Louis de Funés nahm sich dieses Themas bereits im Jahr 1976 in seinem Film „Brust oder Keule“ an. Sehenswert ist die Szene in der Firma des Fertignahrungsmittelherstellers Tricatel.

( Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=swpMfopVEJE)

Das deutsche Lebensmittelrecht erlaubt so einiges. Was ursprünglich vielleicht gut (und letztlich naiv) gedacht war öffnet der Nahrungsmittelindustrie Türen. Wobei vielleicht auch beratende Juristen kräftig mithalfen. Beispiel gefällig?

Etikettenangaben z.B. Erdbeerjoghurt (gesetzlicher Mindestanteil Früchte in Klammer)

Joghurt mit Früchten (6 % Fruchtanteil je 1 kg Joghurt)

Joghurt mit Fruchtzubereitung (3,5 % Fruchtanteil je 1 kg Joghurt)

Joghurt mit natürlichem Fruchtaroma Aroma aus Sägespänen + Rote Beete Saft + Verdickungsmittel um Fruchtstücke nachzuahmen 

Diese Variante ist gesetzlich erlaubt, da sämtliche Zutaten Naturprodukte sind.Viele Menschen kaufen das ohne genau aufs Etikett zu schauen und sind sehr verwundert, wenn sie merken was sie da essen.

Es gibt im ZDF die Sendung „Die Tricks der Lebensmittelindustrie“ mit dem Koch und Lebensmittelexperten Sebastian Lege. Er zeigt mit welchen Mitteln die Industrie gewinnbringend arbeitet. Die Beiträge findest du auch auf Youtube.

Ich bin überzeugt, dass manche Produkte so gut gemacht sind, dass fast niemand den Unterschied zwischen natürlichem und künstlichem Produkt schmecken wird – mich eingeschlossen. Ich empfehle hierzu den Lebensmittelreport des Sternekochs Nelson Müller (auch im ZDF oder auf Youtube).

Convenience-Food:

Vor Jahren bedeutete Convenience für mich, vorgefertigte Produkte als Grundlage zur weiteren Verarbeitung zu nutzen. In meiner Küche waren das Pizzateig, Blätterteig, aber auch Tiefkühlobst und Gemüse.

Convenience bedeutet Bequemlichkeit. Wikipedia (Stand 22.12.2019) beschreibt dies so:

Das Lexikon der Ernährung unterteilt Convenience Food in teilfertige und verzehrfertige Lebensmittel („Fertiggerichte“). Teilfertige Lebensmittel werden dagegen unterteilt in küchenfertige Lebensmittel, die vor dem Garen noch vorbereitet werden müssen wie z. B. GemüseFrüchte oder zerlegtes Fleischgarfertige Lebensmittel, die nur gegart werden müssen wie z. B. fertig zubereitetes Gemüse, mariniertes Fleisch sowie zubereitungsfertige Lebensmittel, die vorbereitet und gegart sind und nur erwärmt werden. Demnach sind alle Lebensmittel, die in irgendeiner Art vorgefertigt sind Convenience Produkte.

Ich behaupte, dass alle Fertigprodukte die Menschen immer mehr vom Wissen über Lebensmittel entfernen. Der Industrie kann es nur recht sein! Je weniger ich über Anbau von Obst, Gemüse und Getreide sowie Aufzucht von Tieren weiß, desto mehr wird mir an billigster Qualität angedreht. Woran soll ich denn Qualität erkennen können? An dem schönen Naturbild auf dem Etikett? Hier scheint eher das Ideal abgebildet zu sein, aber nicht die Realität! Mit der Verarbeitung (Zubereitung) ist es ähnlich. 

Ich nutze inzwischen nur noch Tiefkühlobst und -gemüse wenn gerade kein frisches Produkt zu bekommen ist (Tiefkühlobst und -gemüse hat auch den Vorteil, dass keine Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe enthalten sind), bzw. Blätterteig, weil mir dessen Herstellung zu aufwändig ist. Pizzateig mache ich fast jede Woche selbst, da er einfach herzustellen ist. Seit etwas mehr als einem Jahr backen meine Partnerin und ich unser Brot und unsere Brötchen selbst, inzwischen mit Küchenmaschine.

Bei manchen Früchten und Gemüsearten greife ich auch zu Ware aus der Dose bzw. Glas (weil es sie tiefgefroren nicht gibt), wohl wissend, dass ich hier die Zusatzstoffe (v.a. Zucker) im Produkt esse. Dazu gehören: 

Bio-Mais, Kidneybohnen, Tomaten (in den Wintermonaten, denn in der Zeit schmecken die frischen Tomaten nicht), Gewürzgurken.

Seit Herbst 2019 achte ich mehr darauf mich saisonal zu ernähren, was im Winter etwas schwieriger ist als im Sommer. Je mehr mir das gelingt, desto weniger brauche ich die Dosenware (von meinen geliebten Tomaten für die Nudelsauce abgesehen). Auch im Herbst und Winter ist mit dem Angebot an frischem Obst und Gemüse (natürlich Lagerware) Abwechslung auf dem Speiseplan machbar.

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